Atemtherapie

Atemtherapie

Das ganzheitliche Verständnis der Atem- und Körperübungen 


Es gibt sehr viele unterschiedliche Atem- und Körperübungen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Der große Wert der Atem- und Körperübungen der freien Atemschule liegt sowohl in den ästhetischen Bewegungen des Körpers. Darüber hinaus sind sie sehr bedeutend als Bewusstseinsübungen und betreffen daher nicht nur den Körper, sondern auch die Seele und den Geist im Menschen. Durch diese entsteht mit der Zeit des am besten regelmäßigen und rhythmischen Übens, die Reifung und Entwicklung der Persönlichkeit.


In einer einfachen Form kann es z. B. bedeuten, dass der Übende im Praktizieren der Übungen den Atem und die Luft nicht nur benutzt. Er führt die Übungen unter Anleitung körperlich und er beobachtet auch mit der Zeit wahrnehmend dabei den Atem mit einer entsprechenden Vorstellung und kommt dadurch zu einem realen Erleben des leichten, beweglichen und weiten Luftelementes.


Dieses reale Erleben führt unmittelbar das Bewusstsein, den Atem und auch den Körper in mehr Leichtigkeit, Beweglichkeit und steigert manchmal sogleich die Gesundheit z.B. in dem sich das Nervensystem harmonisiert, vielfach vergehen im Moment bestehende Kopfschmerzen oder ein Hustenreiz hört auf.


In einer erweiterten Form lernt der Übende den Atem zum Beispiel mit seinen 4 Qualitäten, mit seiner großen Bedeutung für den Körper und für die Seele nach und nach gut kennen und erleben. Dies eröffnet dem Menschen sehr weitreichende neue Schritte und Perspektiven, wenn er für diese offen ist.  Er kann zunehmend freier, selbstbestimmter und mit viel mehr Möglichkeiten dem Leben begegnen und es gestalten.


Die 4 Formen des freien Atems


Die 4 Formen des freien Atems sind von grundlegender Bedeutung. Sie sind aber nicht nur äußere Beschreibungen und technische Anleitungen, z. B. zum Gebrauchen des Sauerstoffs zu verstehen, sondern dienen auch wesentlich einem tieferen Verständnis und Erleben des Atems.


Im Weiteren haben diese 4 Formen auch einen wichtigen therapeutischen Wert und beinhalten wesentliche Anregungen zur individuellen Lebensgestaltung und Entwicklung. 


Die 4 Formen lassen sich zu einzelnen Körpersystemen und Organen zuordnen:


  • die Flankenatmung mit den Nieren                     
  • die Tiefenatmung mit der Leber
  • die Schlüsselbeinatmung mit der Lunge
  • die Mittenatmung mit dem Herz


Auch stehen die 4 Formen mit wesentlichen, seelischen Fähigkeiten und Möglichkeiten in Verbindung.


So erlebt der Übende:


  • in der Flankenatmung die Weite, das Wesen der Luft und die Ausdehnung seiner persönlichen Möglichkeiten in die Zukunft
  • in der Tiefenatmung bzw. Leberatmung durch die Tiefe die eigene Körperlichkeit. Er erlebt das Ergreifen seiner Möglichkeiten und Ziele mit seinem ihm zur Verfügung stehendem Willen.
  • in der Schlüsselbeinatmung das sensible Empfinden der Außenwelt, des Neuen. Durch dieses sinnesfreudige Nach-außen-gehen kommt er in Berührung mit neuen Möglichkeiten.
  • in der Mittenatmung ein Zentriertsein in seiner Herzregion. Weiterhin erlebt er seine persönliche Mitte nicht abgeschlossen, sondern sogar in Verbindung mit seinem sozialen Umfeld.


Praktische Ausführung der 4 Atemformen


Atemübung Nierenatmung


Die Nieren sind mehr zum Rücken hin lokalisiert und liegen extraperitoneal (außerhalb der Bauchhöhle). Wer eine Empfindung über den Zusammenhang der Atmung mit den Nieren entwickeln möchte und die Nierenfunktion unterstützen möchte, kann stehend oder liegend seinen Atem in die Flanken richten. Die unteren Rippenbögen sollen sich nach der Seite hin durch die Einatmung ausdehnen. Nicht tief in den Bauch fließt der Atem, sondern weit und ausdehnend in die Flanken. Hilfreich kann es sein, die Atmung, mit den Händen an den Rippenbögen liegend, zu spüren und zu motivieren. Das Atmen in die Flanken soll sich mit einer freien Bewegung aus dem Rücken in den Raum ausdehnen.


Atemübung Leberatmung


Am leichtesten ist die tiefe Atmung bis in den Bauchraum in der Entspannungslage auf dem Rücken möglich. Es ist sogar günstig, in der Rückenlage, die Hände auf den Bauch zu legen. Mit der Aufmerksamkeit auf den Bauch atmet der Übende jetzt ruhig, entspannt und rhythmisch in die Tiefe des Bauchraumes mit der Vorstellung, dass der Atem eine Art Ankerung in der Leber bekommt. Die Leber wird dadurch belebt und erfrischt und trotz der Belebung wird sie durch die ruhigen rhythmischen Bewegungen auch entspannt. 


Atemübung Lungenatmung


Entweder stehend oder liegend beobachtet der Übende beim Ein- und Ausatmen, und das schon am Naseneingang, das feine, sanfte und außerordentlich sensible Wesen der Luft. Ebenso kann der Übende durch das Erleben und Empfinden der feinen und weichen Luftberührung an seiner ganzen Peripherie der Hautzonen das Wesen der Luft erleben und damit die Beziehung zur Lunge fördern und die Lunge damit “erfreuen”. Am besten wird die Lunge dann angesprochen, wenn sich der Übende die Vorstellung aneignet, dass bereits an der Peripherie die Luft den Körper auf sehr feine und samtweiche Weise berührt. 


Aus geistigen Forschungen von Heinz Grill besitzt die Lunge die Neigung zu Introversion, Verschlossenheit und Melancholie. In der Übung wird das Bewusstsein nach Außen bzw. an die Peripherie gelockt. Dadurch wird die Außenbeziehung gefördert, was wiederum das Wesen der Lunge wie“erfreut”. 


Atemübung – Herzatmung


Bei dieser Übung, die zum Erleben der Herzqualität führt, wird mit der Atmung direkter gearbeitet. In dieser kann der Übende entweder im Stehen oder im Liegen seine Aufmerksamkeit auf den Brustraum lenken mit der Vorstellung, dass sich der Atem zwischen einem Innen- und Außenraum bewegt. Diese Vorstellung die einer Wirklichkeit entspricht, fördert eine ruhige Ordnung im Herzbereich. Man könnte auch mit einer weiteren Vorstellung arbeiten, dass die Atmung in einer ruhigen und klaren Verteilung in der Mitte erlebt wird.


Diese Körper- und Atemübungen können auch ergänzend zu anderen Therapiemaßnahmen hinzugenommen werden.

 

Die 4 Atemformen als Möglichkeit zur Diagnose


Führt man die 4 Atemformen (Flankenatmung, Tiefenatmung, Schlüsselbeinatmung, Mittenatmung) für nur kurze Phasen aus und beobachtet man wie leicht oder wie schwer sich jemand bei den jeweiligen Versuchen des Atmens tut, zu welcher Atemform bzw. zu welcher dieser bestimmten Empfindung er Zugang findet und zu welcher nicht, lassen sich daraus diagnostische Schlüsse ziehen:


Findet jemand z.B. über mehrere zeitlich versetzte Versuche keinen Zugang zu einer bestimmten Empfindung so ist das zugehörige Organ aus einer energetischen-feinstofflichen Sicht blockiert. Wird ein Organ als blockiert diagnostiziert, kann mit einigen Anregungen und kleinen Übungen eine sehr förderliche Wirkung erzielt werden.

Den wirklich nachhaltigen Wert der Atem- und Körperübungen des freien Atems erlebe ich fast täglich in meiner Praxisarbeit und in den Yogakursen. Ich bin immer wieder aufs Neue erfreut zu sehen wie wirkungsvoll diese Übungen sind und wie diese von den Menschen interessiert angenommen werden.



Literaturhinweise:

Grill, H. (2010) Ein neuer Yogawille und seine therapeutische Anwendung bei Ängsten und Depressionen, Synthesia Verlag

Grill, H. (2017) Der freie Atem und der Lichtseelenprozess, Heinrich-Schwab-Verlag

Grill, H. (2014) Das Wesensgeheimnis der Seele (2. Auflage), Stephan Wunderlich Verlag


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